Laufgemeinschaft der Deutschen Ultramarathon-Vereinigung e.V.

Für die LG DUV gab es am Samstag in St. Leon Rot viel Licht und Schatten. Eine Deutsche Meisterschaft ist immer ein Höhepunkt im Laufkalender. Und so hatten sich 5 Läufer der LG DUV gewissenhaft auf diesen Wettkampf vorbereitet und reisten entsprechend mit einem Gefühl von Vorfreude, Spannung und Bauchkribbeln an. Ähnlich wie im Hochsprung legt sich jeder die Latte, die es zu überspringen gilt, möglichst hoch. Die durchaus berechtigten Zweifel aufgrund von fehlenden Erfahrungen, vermeintlichen Trainingsrückständen oder nicht ganz ausgeheilten Verletzungen versuchte ich bereits im Vorfeld zu reduzieren, in dem wir eine möglichst realistische Renntaktik abstimmten und die Betreuung bestmöglich organisierten.

Die Ziele waren recht unterschiedlich und reichten von "im Zeitlimit finishen", über "persönliche Bestzeit erreichen" bis zur "die WM-Norm schaffen". 

Bereits morgens eine Stunde vor dem Start trafen sich die 9 Läufer und alle Betreuer bei dem LG DUV / Team Meldeläufer-Gemeinschaftspavillon. In der chaotisch anmutenden Phase galt es, den Stand zu organisieren, die Betreuer einzuweisen und die Taktik mit jedem einzelnen nochmals zu besprechen. Was ist als Betreuer erlaubt, was nicht? Wo sind die Toiletten? Warum habe ich zwei Startnummern? Die Aufregung war spürbar, die Fokussierung stimmte! 

Wie eine Befreiung wirkte der Startschuss und etwa 130 Läuferinnen und Läufer stürmten zunächst durch das Stadion, zum ersten Mal an unserem Stand vorbei und liefen auf die 5 km Runde um den Golfplatz. Die Strecke war super präpariert, flach und durch zahlreiche Streckenposten, die immer ein motivierendes Wort für die Läufer hatten, bestens abgesichert.

André Weinand aus Rust auf dem Weg zu einer neuen Bestzeit. Eine gute Betreuung macht viel aus! Da das "Mitlaufen" nicht erlaubt ist, bleiben nur etwa 1 Sekunde oder 2 Meter, um das gewünschte Getränk und eine Alternative anzubieten, zu fragen, ob für die nächste Runde ein besonderer Wunsch besteht und mit einem motivierenden Spruch den Läufer auf die nächste Runde zu schicken. Heike macht das hier perfekt! 

Die Verfolgergruppe  hier etwa bei km 51 nach 3:40 h. Jan Hendrik Hans, Michael Sommer, Moritz Auf der Heide, Carsten Stegner und Thomas Klingenberger.

Bis Kilometer 60 etwa lief noch alles nach Plan. Thomas Klingenberger bei seinem ersten Versuch über 100km lief wie geplant in einer fünfköpfigen Spitzengruppe mit, die exakt auf "WM-Norm-Kurs" war. Vor ihnen hatten sich drei Einzelläufer abgesetzt, die teils deutlich schneller unterwegs waren, darunter der Titelverteidiger Adam Zahoran aus Bamberg. Alle LG DUV-Läufer hielten sich an ihre Pläne und machten einen sehr guten Eindruck. "Bis km 60 ist der Lauf einfach, dann allerdings setzen die ersten Schwierigkeiten ein" versuchte ich in einer vorbereitenden Mail die Läufer auf diesen kritischen Wendepunkt vorzubereiten. Bei unzureichendem Training wirken sich nun Ermüdungserscheinungen zu einem unrunden Laufstil aus; stimmte die Ernährung nicht, muss der Körper jetzt schon auf Reserven zurückgreifen, der Körper signalisiert unüberhörbar: "Wann ist denn endlich Schluss?" Aber man muss noch 30 oder 35 km zurücklegen, also "nur" noch ein paar Stunden...

Wer auf diese Situation physisch oder mental nicht vorbereitet ist, steigt bei km 70 aus. In den Zeitplänen sehe ich daher ab km 70 ein etwas langsameres Tempo vor. "Wenn es euch schlecht geht - lauft langsamer, wenn nicht, dann haltet euer Wettkampftempo", so lautet der einfache, aber effektive Plan! Problematisch ist, wenn das "etwas-langsamer-werden" nicht vorgesehen ist, denn dann merkt man auch noch, dass plötzlich der Traum von der Bestzeit platzt, weil man das Tempo nicht mehr halten kann. Und man wirft eine gute Zeit weg, weil eine sehr gute Zeit nicht mehr möglich ist. 

Sah bei km 60 alles gut aus, kam von Thomas in der nächsten Runde das Signal "jetzt wird es hart" und plötzlich und unerwartet bricht er bei km 70 ab. "Ich kann es mir nicht vorstellen, jetzt noch 30 km zu laufen", sagte er mit einem keine-Diskussionen-zulassenden Gesichtsausdruck. Upps! Alles beginnt damit, dass man sich etwas vorstellen kann und an seinen Traum glaubt. Jetzt anfangen zu diskutieren? Über Ziele, über den "Spatz in der Hand", über die Fähigkeit zu kämpfen? Spontan entschied ich mich dagegen. Er wird bei einem erneuten Versuch besser vorbereitet die Norm schaffen. 

Wärenddessen ging auch bei den anderen DUV-Läufern der große Kampf los. Die Betreuer gaben alles und die Läufer passten das Lauftempo ihren aktuellen Möglichkeiten an. Der starke Wind zog die Kraft zusätzlich aus dem Körper und viele Läufer und Läuferinnen gaben entnervt und entkräftet auf. In der Ergebnisliste werden schließlich 83 Finisher aufgeführt.

André schaffte es sogar, die letzten 10 Kilometer zu beschleunigen und in der letzten Runde seine mit Abstand schnellste Runde zu laufen. 95km geschont? Mitnichten. Man läuft etwa die Hälfte des Rennens so etwa "auf Reserve". Kohlenhydrataufnahme und -nutzung halten sich die Waage. In der letzten Runde kann man dann den Energiehahn aufdrehen und "den Tank leerfahren". Ist der Kopf stark genug, bilden sich genügend Glückshormone, die die Ermüdungsfaktoren überstrahlen. Das zu können ist nicht jedem gegönnt und ist ein besonderes Talent. André hat es! Das Gefühl ist einfach unbeschreiblich! Nach 95 Kilometern beschleunigen und einer neuen Bestzeit entgegenfliegen! Im Ziel hatte er seine Bestzeit um 46 Minuten verbessert und errang in 9:03:32 Platz 24 und Platz 2 in der Altersklasse M35.

Auch Oliver Ruf konnte sich im Ziel über eine neue Bestzeit freuen. Nach einer fast vierjährigen Wettkampfpause meldete er sich eindrucksvoll zurück und belegte mit einer Zeit von 9:20:22 am Ende Platz 29 gesamt und Platz 6 in der Altersklasse M40.

 

Walter

Um fast zwei Stunden konnte Walter Hösch aus Schwäbisch Gmünd seine Bestzeit verbessern und war im Ziel eines klug eingeteilten Rennens überglücklich. War er bei der 50km-Zwischenzeit noch Vierter in seiner stark besetzten Altersklasse, so konnte er sich am Ende auf Platz 2 vorarbeiten! 

Die meisten waren bereits im Ziel oder hatten ihr Rennen vorzeitig beendet; erste Aufräumarbeiten begannen. Dennoch kämpften noch einige Läufer Runde um Runde, einige schon mehr gehend als laufend, aber alle mit einem großen Kämpferherz. Unter ihnen war auch der in der M65-Klasse laufende Harry Müller, der nun von seinem Körper vermittelt bekam, dass das Training etwas unzureichend war. Dennoch hatte er auch in dieser Phase stets ein Lächeln im Gesicht. Was einige nicht wissen, ist, dass es eine Cut-Off-Zeit bei km 90 gibt und die liegt 90 Minuten vor dem Zeitlimit für die 100 Kilometer. Bereits nach km 75 deutete es sich an, dass es eng werden würde. Aber leider war er nicht in der Lage, seine Laufphasen auszudehnen und musste so seinen unermüdlichen Kampf vorzeitig nach 90 Kilometern beenden. Das ist wirklich bitter und das Thema Zeitlimit wird in den Gremien durchaus kontrovers diskutiert. 

 

Aus den Händen von DUV-Präsident Jörg Stutze und Vizepräsident Günther Weitzer nahm Walter die Medallie und Urkunde für seine Vizemeisterschaft entgegen.

Nach der Siegerehrung gab es viele glückliche Gesichter, darunter André Weinand, LG DUV-Sportwart Michael Irrgang und Walter Hösch. André und Walter wurden Vizemeister in ihren Altersklassen!

Am Ende durfte sich das ganze Team der Läufer und Betreuer der LG DUV über einen vierten Platz in der Mannschaftswertung freuen. Von den 5 LG DUV Startern kamen letztendlich drei ins Ziel, alle mit neuen Bestzeiten. Zusammen mit den beiden Vizemeistertiteln eine gute Bilanz!

Nach einer längeren Pause hat sich die LG DUV recht gut präsentiert. Bereits in zwei Monaten bei der DM über 24 Stunden werden wir wieder an den Start gehen. Einige der Läufer und Betreuer haben bereits ihre Teilnahme zugesagt, denn so eine DM ist schon ein einmaliges Erlebnis für alle. 

Die Veranstaltung war top organisiert und vom Wind abgesehen, waren alle Bedingungen optimal. Möglicherweise wird der Veranstalter weitere Läufe auf dieser schönen Strecke anbieten. Für die große Laufgemeinschaft wäre es wünschenswert.

Nach dem Ausscheiden von Thomas hatte die LG DUV mit dem Ausgang des Rennens nichts mehr zu tun. Die Betreuer und Zuschauer konnten dennoch das erwartet spannende Rennen beobachten. Im Vorbericht hatte ich mich ja zur erwarteten Taktik und zum Ausgang geäußert und im Prinzip recht behalten. Vorne gab es ein krasses Ausscheidungsrennen und auch die WM-Kurs-Gruppe flog zwischen Kilometer 60 und 70 auseinander, als das notwendige Durchschnittstempo nur noch von Carsten Stegner gehalten werden konnte. Am Ende konnte er in seinem ersten 100er gewinnen und die Norm unterbieten. Michael Sommer, ein unvergleichlicher Spitzenathlet auf dieser Strecke, konnte sich seine Kräfte wie erwartet super einteilen und wurde am Ende Vizemeister. Der angekündigte Außenseiter Moritz auf der Heide konnte sein Potential zeigen und wurde dritter.

Bei den Frauen lag ich mit meiner Prognose genau richtig. Pamela Veith vor Branka Hajek und Barbara Mallmann, dabei Pamela und Barbara mit neuen Bestzeiten!

Aber wie aus dem Bericht hervorgeht, gab es nicht nur an der Spitze großen Sport zu sehen, sondern auch in der Mitte und am Ende des Feldes mit vielen neuen Bestzeiten, glücklichen Finishern! Aber sicher nicht nur mit Freude, sondern auch mit geplatzen Träumen und tragischen Ausgängen, die sich hinter der Nicht-Finisherquote von etwa 30 % verbirgt. 100 km sind ganz schön viel - es ist für viele die Königsdisziplin im Ultralauf! 

Link zur Ergebnisliste: statistik.d-u-v.org/getresultevent.php

Text und Bilder: Michael Irrgang, Sportwart der LG DUV, 12.4.2015

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